Leidenschaftslosigkeit in Bezug auf die Sinnesobjekte
indriyarteshuvairagyam
Leidenschaftslosigkeit in Bezug auf die Sinnesobjekte

BHAGAVAD GITA – Kap.13 Vers 7-9 – Werte (Values)

Indriyartheshu Vairagyam:

Vairāgya (Leidenschaftslosigkeit) gegenüber den Objekten der Sinne

Durch Untersuchung dessen, was wichtig im Leben ist, gewinnen wir ein Verständnis, das zu erwachsenem Verhalten führt und eine natürliche Leidenschaftslosigkeit, was die Sinne und deren Beschäftigung betrifft. Man kann sanmārga nur folgen, wenn da Leidenschaftslosigkeit ist, vairāgya, der Zustand, wenn Verlangen zur Ruhe gekommen ist.  Man hat vielleicht einen Wunsch, aber da ist keine Sehnsucht, die daraus resultiert, daß man glaubt, eine Sache würde einen glücklich oder sicherer machen. Die Person, bei der dieses Verlangen verschwunden ist, ist ein virāga und der Zustand seines Verstandes wird vairāgya genannt. Wenn du das gründlich verstanden hast, daß kein Objekt dir das Problem lösen wird, dann hast du vielleicht immer noch einen Wunsch nach einem Objekt, aber kein Verlangen, keine Sehnsucht mehr. 

Manche Leute engagieren sich für Geld, als ob es ihre Probleme lösen würde. Andere besitzen Geld, verwenden es aber, um Macht und Einfluß zu gewinnen. Dabei denken sie, daß das alles für sie lösen würde. All das ist ṣobhanādhyāsa, die Projektion eines Wertes auf ein Ding, den dieses Ding überhaupt nicht besitzt. Geld ist nützlich, aber wenn du denkst, daß es das Problem von Unzulänglichkeit, Unglücklichsein, Ruhelosigkeit usw. lösen wird, wirst du enttäuscht werden. Es ist nicht das Geld an sich das enttäuscht, sondern die Erwartungen, die damit verbunden werden und die es nicht erfüllen kann. Wir respektieren Geld, denn es ist Lakṣmī, aber es hat seine Begrenzungen. Wenn man es erstrebt, als ob es ein Problem lösen würde, dann ist das aufgrund eines Wertes, dem man ihm ganz subjektiv beimisst.

In dieser Welt kann dich nichts enttäuschen, nur deine eigenen Projektionen. Stell dir vor, du schaust zum Himmel und schließt aus dem Anblick, daß es schneien wird. Deshalb planst du einen Skiurlaub. Wenn es anschließend nicht schneit, ist es nicht das Wetter, das dich enttäuscht hat, sondern es waren deine eigenen Projektionen. Das Wetter ist nicht deinen Erwartungen verpflichtet. Wenn unsere Erwartungen von guten Gründen ausgehen, dann ist es weniger wahrscheinlich, daß wir enttäuscht werden. Wenn sie schlecht durchdacht sind, wird es immer wieder zu Enttäuschungen kommen. Eine Sehnsucht entsteht in der Regel dadurch, daß ein Wert auf etwas projiziert wird, was dieses Ding nicht hat. Je mehr du die Projektionen wegnimmst, desto mehr nimmt vairāgya zu. Es ist dabei wichtig zu verstehen, daß vairāgya keine Abneigung zu einem Ding ist. Es zeigt nur, daß man ihm keinen Wert beimisst. Vairāgya meint, daß man die Dinge so sieht wie sie sind – wofür eine gründliche Untersuchung nötig ist. Vairāgya ist auch nicht der Geisteszustand, der sich oft einstellt, wenn jemand stirbt. Meistens ist es dann, wenn man auf die Vergänglichkeit des Lebens schaut und daraus eine Abneigung gegen die Jagd nach bedeutungslosen Dingen entsteht, kein wirkliches vairāgya. Gewöhnlich verschwindet es mit der Zeit, wenn die Alltagsgeschäfte einen wieder fordern. Vairāgya ist eine Objektivität, die aus einer gründlichen Erforschung und Auswertung von Prioritäten entsteht. Vairāgya entsteht auch nicht aufgrund von Enttäuschung. Jemand, der mit seinen Bestrebungen im Leben gescheitert ist, der alles verloren hat und nun beschließt, ein Sādhu zu werden, hat kein vairāgya. Vielleicht kann man hier anfangen, aber wirkliches vairāgya wird durch Beseitigung aller falschen Projektionen erreicht, durch ṣobhanādhyāsa. Vairāgya, übersetzt als Leidenschaftslosigkeit, meint so viel wie ein Grad von Objektivität. diese ist nur dann vollständig, wenn da Jnānam ist. 

Eine gewisse Objektivität wird erreicht, indem man immer klarer realisiert, daß Mokṣa den ersten Platz im eigenen Leben einnimmt. Zu einer bestimmten Zeit in unserem Leben war vielleicht Erziehung unsere Top Priorität, dann vielleicht Geld oder Erfolg. Mokṣa war irgendwo weiter unten in der Liste. Mit Satsanga, der Analyse von Erfahrungen usw., bekommt es schrittweise eine immer höhere Position. Dann wird der Wunsch nach Freiheit intensiver, die Rāga-Dveṣas werden neutralisiert und in der Folge wird Mokṣa immer wichtiger, bis es schließlich den ersten Platz einnimmt. Die Sehnsucht nach Freiheit gewinnt eine Tiefe und Dimension, die alles verzehrend wird, so daß alles andere dahinter zurücksteht. Dann hast du vairāgya.

Wenn Moksha das oberste Ziel ist, wird das Leben zu einem Wachstumsprozess. Du machst eine bewusste Anstrengung, um sicherzustellen, daß du wächst, und dieses Wachstum manifestiert sich in Form von Leidenschaftslosigkeit in Bezug auf die Sinnesobjekte. Du bist in der Lage, den Wert von Sinnesobjekten intelligent zu beurteilen, sowohl hier als auch anderswo. Du verstehst, daß sie das grundlegende Problem nicht lösen. Das einzige, was sie tun können, ist dich bei guter Laune zu halten, aber dafür mußt du immer den Preis zahlen. Das wirkliche Problem der fehlenden Selbst-Akzeptanz bleibt ungelöst.

Shaṅkara kommentiert indriyārthāḥ als Genuss, sichtbar und unsichtbar. Ob du es selbst sehen kannst oder es etwas ist, von dem du nur hörst, es löst nicht dein grundlegendes Problem. Vairāgya ist keine Abneigung gegenüber Sinnesobjekten, sondern eine intelligente Auswertung.

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