Amanitvam - die Einsicht, daß nichts mir wirklich gehört
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BHAGAVAD GITA – Kap.13 Vers 7-9 – Werte (Values)

Amānitvam:

Amānitvam ist die Abwesenheit von Mānitvam. Mānitvam ist die Natur eines Māni. Ein Māni ist einer, der Māna hat. Māna heißt Eigenlob. Der Māni lobt anderen gegenüber gerne seine eigenen Tugenden und möchte dafür respektiert werden. Daß er Vorzüge hat ist fein, aber warum sollten andere diese wertschätzen? Nur jemand, der einer bestimmten Qualifikation einen Wert beimisst, wird sie wertschätzen – wenn er kein anderes Problem hat. Ein Taschendieb wird dein Wissen von der Bhagavad Gita nicht wertschätzen. Deine Fähigkeiten und Leistungen können nur diejenigen schätzen, die ihnen einen Wert beimessen. Für andere gibt es keinen Grund dazu.

Viele unserer Probleme entstehen, weil andere unsere Tugenden nicht anerkennen.

Anerkennung haben zu wollen ist weit verbreitet, und ist ja zum Teil auch berechtigt. Wenn du eine Qualifikation hast, ist es gut, wenn sie bemerkt wird. Ein Problem wird es dann, wenn du das einforderst. Andere möchten auch Anerkennung haben. Und wenn ich dann darauf bestehe, daß ich von ihnen Anerkennung bekomme, dann kann ich andere nicht angemessen wahrnehmen und es entsteht eine ständige Anspannung in meinen Beziehungen. Jeder Respekt bzw. Anerkennung muß auf eine natürliche Weise entstehen. Wenn ich es verlange, habe ich ein emotionales Problem.

Warum sollte ich überhaupt einfordern, daß irgendjemand meine Leistungen anerkennt? Es ist deshalb, weil ich innerlich überzeugt bin, daß ich eigentlich nicht wirklich etwas erreicht habe. Obwohl ich objektiv weiß, was ich geleistet habe, besteht unten drunter ein Gefühl, daß ich keinen Erfolg hatte – ein Gefühl, das aus der Kindheit stammt. Dieses Gefühl ist da, weil da ungeheilte Wunden sind wegen Kritik von Seiten der Eltern, von Lehrern oder aufgrund von anderen Dingen, die die Entwicklung eines gesunden Selbstbildes behinderten. Mit einem unwerten Selbstbild ist es sehr schwierig, den eigenen Wert anzuerkennen, und oft ist die Folge ein ständiges Streben nach Leistungen, um meinen Wert zu beweisen. Wenn für mich wichtige Personen meinen Wert nicht anerkennen, kann ich damit nicht umgehen. Dies ist zutiefst zu würdigen. Daß ich Maanitvam habe, ist kein Grund, mich noch weiter zu verdammen und mein Selbstbild noch weiter runter zu ziehen. Es muß verstanden werden. Warum sollte ich Respekt von anderen einfordern? Es ist überhaupt nicht nötig. Dies genau zu sehen hilft, die Forderung nach Respekt zu mindern.

Ob andere mich respektieren oder nicht ist kein Problem, weil ich mich selbst respektiere.

Wenn ich analysiere, was in mir fehlt, dann finde ich, daß im Grunde Aatmā Sat-Chit-Aananda ist und nichts dem überlegen ist. Alles andere ist Anātma, alle die Leistungen und Tugenden eingeschlossen. In Bezug auf Apara-Vidyā kann jemand mehr wissen, ein anderer weniger, aber dabei gibt es immer eine Grenze. Du bist in einem Bereich gebildet, jemand anderes in einem anderen. Einer kann gut schreiben, ein anderer singt wunderbar. Wer ist überlegen, wer unterlegen? Das sind alles Potenziale, die mir gegeben wurden, und die davon abhängen, was ich daraus mache. Was immer die Geschenke sind, sie gehören zum Kshetra und sind von ihrer Natur her begrenzt. Egal wie sehr ich eine bestimmte Fähigkeit entwickle, es gibt immer ein Limit, das ich nicht überschreiten kann. Selbst wenn ich der Schwergewichtsweltmeister werde, kann ich keinen Berg hochheben. Ähnlich ist es mit der Buddhi: Sie hat die Fähigkeit zu wissen, ich kann immer etwas dazu lernen – aber ich kann nie alles wissen. Wenn einer sein Leben damit verbringt, Wissen anzusammeln, wird sterben, ohne alle Bücher gelesen zu haben. Es bleibt immer unvollkommen. Dieser Kshetra, der physische Körper, der mit Verstand und Sinnen ausgestattet ist, hat einige Kräfte, diese sind aber immer begrenzt.

Wenn ich das verstehe, dann gibt es keine Möglichkeit, einen Vergleich anzustellen, auf Basis dessen ich ein Urteil über mich selbst fällen kann. Mit diesem Körper-Verstand-Sinne-Komplex wurde ich ausgestattet. Er hat ein begrenztes Potenzial zu wissen, jnāna-shakti; zu wünschen, icchā-shakti; und zu handeln, kriyā-shakti. Einiges davon habe ich angezapft, deshalb habe ich einiges erreicht. Wer ist bei all dem besser oder schlechter? Verschiedene Menschen zapfen verschiedene Potenziale an, das ist alles. Du kannst deinen Körper oder auch deinen Verstand bis zu einem gewissen Maß entwickeln, aber was im Leben wirklich zählt ist, wie erwachsen du bist. Dadurch wirst du zu einer Person, mit der man rechnet. Ein großer Wissenschaftler, der sich dauernd ärgert und qualmt, weil ihn keiner bauchpinselt oder weil er den Nobelpreis nicht bekommen hat ist ein Kind geblieben. Kinder zeigen gerne, was sie gelernt haben, wenn andere zuschauen. Das soll nicht heißen, daß es verkehrt sei, deine Potenziale zu entwickeln. Du hast bestimmte Gaben, und sie sollen ausgedrückt werden – als Herrlichkeit von Ishvara. Aber dieses Ausdrücken alleine macht dich noch nicht zu einer erwachsenen Person. Sondern du tust etwas, weil du es liebst, das zu tun. Wenn du es nur in der Hoffnung tust, daß andere dich anerkennen und du in ihren Augen jemand wirst, ist das kindisch.

Ich muß in meiner eigenen Wahrnehmung jemand anerkennenswertes werden, und das werde ich nur, wenn ich erwachsen bin. Das ist, was mich zu einer Person macht, nicht ob ich Geld oder andere Dinge habe oder nicht. Wie ich auf mich selbst schaue, das allein zählt. Ich respektiere meinen Körper; ich respektiere meinen Verstand; ich respektiere meine Sinne – wenn ich mich selbst so sehe, brauche ich meine Leistungen nicht zu präsentieren. Dieser Kshetra ist ein wundervolles Instrument, das ich bekommen habe, und das ist Grund genug für mich, ihn rundum anzuerkennen. Das ist nicht nur „Selbstwertgefühl“ im psychologischen Sinne, sondern eine Dankbarkeit für etwas Wundervolles, das mir gegeben wurde. Du könntest beten anfangen deshalb. Der Körper ist ein Kunstwerk. Die Skelettstruktur ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. Die Leber ist eine Chemiefabrik, die Haut eine Klimaanlage, und der Verstand ist einfach ungewöhnlich! Wir bewundern Computer wegen ihrer Kapazitäten, aber es war der menschliche Verstand, der diesen Computer erschaffen hat. Der gesamte physische, sensorische und verstandesmässige Komplex ist eine wunderbare Schöpfung, und ich habe jeden Grund, ihn so wie er ist zu geniessen – und deshalb mich selbst zu respektieren. Sobald ich mich selbst respektiere, verlange ich keinen Respekt mehr. Ich akzeptiere diesen Komplex völlig, mit andächtiger Wertschätzung. Andächtig wem gegenüber? Ishvara, Gott. Wir wissen, daß alles, was herrlich ist in dieser Schöpfung, nur Ishvaras Herrlichkeit ist. Das zu wissen, bringt dich zu andächtiger Wertschätzung.

Schaue ich mir die Details an, dann finde ich, daß dieser Körper eine Schönheit von großer Komplexität besitzt. Von einer einfachen, undifferenzierten Form entsteht dieser komplexe intelligente Körper. Alles ist enkodiert im ursprünglichen Material, das sich in eine Vielfalt von Formen ausdifferenziert. Leberzellen unterscheiden sich von Gehirnzellen, sie entwickeln sich zu verschiedenen Organen. Wenn Leberzellen ins Gehirn wechseln würden, oder Gehirnzellen in die Leber, hätten wir ernsthafte Probleme. Das Gehirn braucht außerdem eine schützende Umhüllung, deshalb gibt es den Schädel. Wenn ich das so betrachte, hat es eine sinnvolle Poesie für mich. Mit dieser einfachen Wertschätzung für die Herrlichkeit Ishvaras beginne ich Selbstachtung zu entwickeln. Ich finde, es gibt keinen Grund, mich zu verdammen. 

Dieser Körper ist nur ein Upādhi.

Und wenn ich ihn als das nehmen kann, ist an ihm nichts falsch. Wenn du ihn allerdings nicht annimmst, dann ist nichts genug, weil er begrenzt ist. Doch selbst diese Begrenzungen sind Teil seiner Schönheit; denn die Begrenzungen sind auf eine Weise, daß man damit umgehen kann. Stell dir vor, du möchtest ein Schmuckstück aus wertvollen Steinen. Wie groß können diese Steine sein, damit es noch etwas Schönes ist, das du tragen kannst? Du kannst keinen Stein um deinen Hals tragen, der ein halbes Kilo wiegt. Schön ist immer etwas, was du dankbar handhaben kannst. Dieser physische Körper, klein und begrenzt wie er ist, ist ein wundervolles Stück. Schönheit wird nie durch Größe bestimmt. Ein Berg ist ein wundervoller Teil der Schöpfung, aber das gilt auch für einen kleinen Diamanten. Das gesamte Universum ist durchdrungen von Schönheit, wenn du seine Sinnhaftigkeit und Intelligenz sehen kannst. So ist auch der physische Körper, so begrenzt er sein mag, ein wunderbares Stück. Sobald dies akzeptiert ist, bin ich annehmbar für mich. Sat-Cit-Aananda-Aatma ist von seiner Natur her annehmbar und der Körper ist genauso annehmbar weil er schön ist. Ist dies erkannt, dann entsteht Amānitva aufgrund von Jnāna. Der Kshetra hat bestimmte Kräfte, die ich entwickele, aber ich muß niemandem irgendetwas beweisen. Jeder hat seinen eigenen Kshetra, durch den er sich ausdrücken kann. Aber die Form dieses Ausdrucks ist bei jedem unterschiedlich – und perfekt. Es ist wirklich wichtig, das zu akzeptieren, weil das Erwachsensein bedeutet. Erwachsen zu sein macht eine Person wunderschön. Mit dieser Akzeptanz wird man nie Respekt verlangen.

Ich möchte nochmal wiederholen, daß dies nicht als Ideal dienen soll, aufgrund dessen du dich selbst verdammen kannst. Es geht nicht um Verurteilung, sondern um Verstehen. Schau einfach was es braucht, Amānitvam zu entwickeln und es wird Teil von dir, ohne Verurteilung, ohne Worte, ohne Etikettierung. Man kann leicht den Unterschied erkennen zwischen Menschen die idealisieren und urteilen und solchen, die das nicht tun. Jemand mag sehr dharmisch sein und sich dessen sehr bewußt sein. Und er hat seine Ideale aufgelistet. Es gibt indische Ashrams, wo auf die Wände Slogans geschrieben sind wie: „Stille ist besser als Sprechen“, „Kontrolle des Verstandes ist besser als Kontrolle eines Königreichs“, „Dienst vor selbst“, gefolgt von „Wer mehr dient bekommt mehr“. Ein Slogan widerspricht dem anderen. Wir wollen hier keine Worte in Ideale verwandeln, sondern sie einfach verstehen ohne sie zu verschriftlichen. Ich versuche einfach zu verstehen, was es braucht, Amānitva zu haben.

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